Gotthard – Verlagerungspolitik
Keine Frage, der neue Gotthardtunnel ist eine Meisterleistung der Ingenieure und der Mineure. Bloss: wozu brauchen wir ihn? Reisende, die mit dem Zug von Zürich ins Tessin oder von Berlin nach Mailand fahren wollen, werden nun 40 Minuten schneller dort sein. Dafür zahlen wir 30 Milliarden Franken. Bis 2070 werden schätzungsweise mindestens 30 weitere Milliarden dazu kommen, da Unterhalt- und Betriebskosten um ein Vielfaches höher sind, als seinerzeit dem Volk weisgemacht. Zusätzlich zahlen wir Jahr für Jahr 8 Milliarden an den öffentlichen Verkehr. „Das tun wir, um den Güterverkehr auf die Schiene zu bekommen“, hört man. Ein netter Witz. Güter müssen nicht vom Bahnhof Zürich zum Bahnhof Mailand transportiert werden, sondern von der Fabrik A im Zürcher Hinterland zur Fabrik B im Mailänder Hinterland. Deshalb geschieht dies auf der Strasse. Gestern, heute und auch morgen. Da hilft alle romantische Schwärmerei der Schweizer Eisenbahnlobby nichts. Und selbst wenn in vielen, vielen Jahren vielleicht einmal die Zufahrtstrasses zum Gotthardtunnel in der Schweiz – und noch viel später auch in Italien und Deutschland – mit weiteren Milliarden vom Steuerzahler ausgebaut sein werden, rechnet man mit maximal zusätzlichen 2.5 % des Schwerverkehrs, der auf die Bahn kommen wird. Nicht erstaunlich, dass die EU-Verkehrsminister das Ganze mit der lapidaren Feststellung „ein bemerkenswertes Bauwerk“ abtaten. Was wir jetzt brauchen ist nicht ein Ausbau des Eisenbahnnetzes, sondern ein Ausbau des Strassennetzes. Die Autobahnen von Nord nach Süd und von West nach Ost und die Umfahrungen der grossen Stadte. Am dringendsten ist eine zweite Röhre für den Auto- und Lastwagenverkehr durch den Gotthard. Dann ist man nicht 40 Minuten schneller im Tessin, sondern 4 Stunden und die Millionen von Franken, die dort jedes Jahr durch Staus verloren gehen, sind gespart.